Tag 8: Es ging relativ früh los, da wir spätestens gegen Mittag in Gori sein wollten. Aber zuvor stärkten wir uns nochmal bei einem guten Frühstück auf der Dachterrasse.
Der Weg bis nach Gori war unspektakulär bzw. kannten wir ihn ja auch schon. Die Autobahn war sehr leer und wir waren zügig dort. In und um Gori gibt es ein bisschen was zu sehen, u.a. die Höhlenstadt Uplisziche, die Burgruine von Gori und das Stalinmuseum. Wir entschieden uns aus Zeitgründen für Letzteres. Gori ist die Geburtsstadt von Josif Wissarionowitsch Dshugaschwili, später bekannt als Josef Stalin. Das Zentrum des Ortes bildet tatsächlich das Stalinmuseum und die Parkanlage davor. Schon von Weitem ist der gepanzerte grüne Zugwaggon erkennbar, mit dem Stalin Anfang der 40er Jahre überraschend schlicht zu den Konferenzen nach Teheran, Jalta und Potsdam gereist ist. Wir parkten an der Seite und spazierten erst einmal etwas durch den Park.
Wir kauften an der Kasse im Museum zwei Tickets zu je 15 Lari. Kinder sind frei. Als erstes besuchten wir die Ausstellung im Obergeschoss. In den ersten vier Hallen wird sein Leben chronologisch dargestellt – Stalin vor und während der Oktoberrevolution, Stalin als Parteiführer, Stalin als Generalissimus im Zweiten Weltkrieg. Im letzten Saal ist eine seiner zwölf Todesmasken zwischen Marmorsäulen aufgebahrt. Anschließend besichtigten wir die Kammer unter der Treppe mit Stalins Schreibtisch und einer Zelle, die symbolisch für die Unterzeichnung von Deportationsbefehlen stehen sollen. Sehr interessant sind die zahlreichen Bilder, auf denen Stalin in liebkosender Geste mit Kindern zu sehen ist, wenn man weiß, wie das tatsächliche Verhältnis zu seinen Kindern war. Um seinen Sohn Jakow (aus erster Ehe) kümmerte er sich nie. Nicht mal, als er in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet und Stalin ein Austausch angeboten wurde, denn diesen lehnte er einfach ab. Seine Tochter Swetlana vergötterte er anfangs, aber als er ihre Ehe mit einem Juden aus antisemitischen Gründen auflöste und sie Mordaufträge ihres Vaters belauschte, distanzierte sie sich von ihm, woraufhin er sie verstieß. In den 60er Jahren konnte sie bei einer Reise nach Indien in die USA fliehen. Seine zweite Frau erschoss sich im Übrigen selbst, als sie die Folgen der Zwangskollektivierung in der Ukraine mitbekam und dadurch immer öfter mit Stalin in Streit geriet.
Das Museum wurde 1937 im Geburtshaus des Diktators gegründet. Nach seinem Tod wurde der große Neubau des Museums im Stadtzentrum errichtet und 1957 eröffnet, das Geburtshaus, eine kleine Hütte aus Lehm und Stroh, wurde in den Park davor übersiedelt und mit einem tempelartigen Gebäude überdacht. Exponate im Museum beinhalten persönliche Gegenstände des Diktators, Fotographien, Geschenke anderer Staatsoberhäupter an Stalin und zeichnen den Werdegang des Diktators seit seiner Jugendzeit nach, natürlich ohne dabei auf seine zahlreichen Opfer einzugehen. In seiner Zeit als Alleinherrscher der Sowjetunion vergrößerte er sein Reich um ein Vielfaches, aber in Folge des Krieges und der verfehlten Wirtschaftspolitik war der Lebensstandard im Land extrem niedrig. Man geht davon aus, dass ca. 40.000 Offiziere seiner Tschistka („Säuberung“) zum Opfer gefallen sind, ganz zu schweigen von den unzähligen Zivilisten, die als angebliche Verschwörer und Widersacher „enttarnt“ und ermordet wurden. Das Museum ist heute, trotz oder gerade wegen der durchaus als unkritisch zu bezeichnenden und umstrittenen Aufbereitung des Museums einer der wichtigsten Touristenmagnete in Georgien. Nicht nur Einheimische und Schulklassen besuchen das Museum, sondern auch Ausländer aus aller Welt. In den Souvenirshops entlang der Stalin-Allee findet man unzählige Devotionalien mit Stalins Konterfei. Wir besichtigten noch den Eisenbahnwaggon neben dem Museum. In dem mit rotem Holz ausgekleidetem Waggon befanden sich mehrere Abteile für seinen Stab, eine Küche, ein Bad inklusive Wanne und ein Konferenzraum.
Die „ewige Flamme“ am Ende der Stalin Avenue Richtung Stalin-Platz konnten wir nirgends entdecken, aber es war so heiß, dass wir auch nicht lange gesucht haben. Wir aßen noch ein Eis, kauften ein bisschen im Supermarkt ein (u.a. einen Mini-Kipplaster für Mika) und fuhren ohne große Umwege weiter bis nach Borjomi. Die Landschaft wurde zusehends grüner und hügeliger. Die Gegend gefiel uns ausgesprochen gut. Die Straße führte in einem Canyon entlang des Flusses. Hier und da ein Dörfchen, eine Hängebrücke, eine Station für Wildwater Rafting oder ein paar Kühe auf der Straße. Die Fahrt machte Spaß. Bilder gibts nicht, da ich selbst gefahren bin und wir keinen Stop gemacht haben. Gegen 15 Uhr kamen wir in unserem Hotel Rixos Borjomi an. Durch eine große Einfahrt fuhren wir auf das große Hotelgelände, dass an einem Berghang lag. Das Zimmer war richtig nobel, sehr groß und blitzblank. Wir überlegten, was wir noch mit der restlichen Zeit anfangen wollten. Für die Felsenstadt Vardzia war es schon zu spät, da diese noch mindestens 110 km entfernt war und somit auch ca. 2 h Fahrt bedeutet hätte. Das wollten wir uns und dem Kind nicht mehr antun. Stattdessen fuhren wir ins halb so weit entfernte Achalziche zur Festung Rabati. Die Stadt liegt in 1029 m Höhe am Fluss Pozchowiszqali. Die älteste erhaltene schriftliche Erwähnung der Stadt stammt aus dem 12. Jhd. 1576 wurde sie vom osmanischen Reich erobert und 1628 das Zentrum der osmanischen Provinz Achalziche. 1828 eroberte Russland die Stadt zurück. Achalziche besitzt eine Festung, einen Adelspalast aus dem 13./14. Jhd., mehrere armenische Kirchen, eine Synagoge und zahlreiche, meist zerstörte Moscheen (einst 28). Eine davon steht sehr gut erhalten in der Festung. Sie wurde im 19. Jahrhundert in eine orthodoxe Kirche umgewandelt. Neben ihr gibt es auf dem 7 ha großen Festungsgelände, dass aus zwei sehr großen Innenhöfen auf unterschiedlichen Höhen besteht, eine Synagoge und eine Moschee (goldene Kuppel) mit einer dahinter befindlichen Medrese (Koranschule). Den im oberen Hof befindlichen marmornen Spitzbogengang und das spitze weiße Gebäude mit dem Springbrunnen im Inneren wurden erst in den 80er Jahren zu Ehren der sowjetischen Garnison erbaut. Nicht alt und historisch wertvoll, aber wunderschön. Achalziche liegt im Übrigen nur knapp 20 km von der Grenze zur Türkei entfernt.
Wir besichtigten zuerst den unteren Innenhof und erklommen jeweils unterschiedliche Türme, sodass ich meine beiden Männer auf einer der Zinnen fotografisch festhalten konnte. Ich selbst wagte mich über die wackeligen Eisentreppen in schwindelerregende Höhen. Wer mich kennt, weiß, was das für eine Überwindung für mich bedeutet.
Anschließend arbeiteten wir uns hoch in den zweiten Innenhof, der noch schöner war als der untere. Dadurch, dass wir ziemlich spät dran waren, waren kaum noch Besucher in der Anlage.
Aber es ging noch etwas weiter hinauf. Wir erklommen die Festungsspitze und es bot sich uns ein fantastischer Ausblick auf die Anlage und die gesamte Umgebung drumherum.
Wir hielten uns eine ganze Weile in der sehr gut restaurierten und rekonstruierten Festungsanlage auf und da sich im unteren Innenhof praktischerweise auch noch ein Restaurant mit Chill-Out-Area befand, haben wir dort auch noch gleich lecker und gemütlich gegessen.
Es wurde rasch dunkel. Ca. 20:30 Uhr traten wir den Heimweg an und nach etwa 50 waghalsigen Minuten erreichten wir wieder unser Hotel in Borjomi. Die Reiseführer raten von Nachtfahrten in Georgien ab und jetzt wussten wir auch wieso. Die Georgier sind einfach grausame Autofahrer und fahren ziemlich rücksichtslos. Da ist es egal, ob sich Kühe oder spielende Kinder am Straßenrand befinden. Oder ob das Licht am Auto geht. Wie gesagt, das ist nicht unbedingt zu empfehlen.
Da habt ihr euch mit dem Stalin-Museum ja wahrlich schwere Kost einverleibt! Die Festung gefällt mir sehr. Tolle Fotos!
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Ja, das stimmt. Aber ein bisschen für die Bildung darf schließlich nicht fehlen.😉 Danke. Die Festung war auch echt schön.
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