Europa · Russland

St. Petersburg – von Kirchen, Moscheen und Kathedralen

Tag 4: Uh, dunkle Regenwolken schwebten über der Stadt und die Lust, das Bett zu verlassen, hielt sich dementsprechend in Grenzen. Aber es half nichts, ich wollte schließlich noch ein bisschen was von dieser tollen Stadt sehen. Ich zückte die Yandex App und ließ mich für knapp zwei Euro zur Smolnyi Kathedrale kutschieren. Die Fahrt dauerte 30 Minuten, denn der Fahrer machte einen großen Bogen um das zentrale Viertel und fuhr eine Weile an der mächtigen Newa entlang. Wir überquerten sie sogar, aber das nur, weil der Fahrer das Navi nicht lesen konnte. Nun ja. Es war jedenfalls sehr interessant, auch mal die Gegenden außerhalb der großen Sehenswürdigkeiten zu sehen.

Angekommen bei der Smolnyi Kathedrale rechnete ich jeden Moment mit einem kräftigen Regenschauer, aber er blieb aus. Es nieselte nur. Zum Glück!

Die prächtige Smolnyi Kathedrale ist ein Bau von Bartolomeo Rastrelli in dessen typischen Farben blau-weiß. Ursprünglich war das Anwesen als Altersresidenz für die Zarin Elisabeth geplant, allerdings konnte das geplante hochelegante Kloster nicht mehr vor ihrem Tod 1762 fertiggestellt werden. Geldmangel während des 7-jährigen Krieges brachten das Projekt zum Erliegen. Erst 1835 wurde das edle Gotteshaus eingeweiht. Nach der Oktoberrevolution wurde es jedoch vollständig ausgeraubt, weshalb es seitdem nur noch für Ausstellungen und Konzerte genutzt wurde. Seit 2016 befindet sich der Komplex wieder in der Hand der russisch-orthodoxen Kirche und wird nach und nach saniert. Sogar eine Aussichtsplattform in einem der vier Ecktürme ist geplant.

Nachdem ich mir das relativ schlichte Innere angeschaut hatte, machte ich einen Rundgang um das wirklich sehr hübsche Gebäude. Es gab so viele Details zu entdecken.

Auf dem folgenden Bild seht ihr die der Kathedrale gegenüberliegende Seite. Nicht sehr außergewöhnlich, aber ich mochte die Blumen-Arrangements. Nachdem ich bei der Bushaltestelle mit dem Lesen des Fahrplans kläglich versagte, wartete ich auf mein nächstes Yandex-Taxi, dass mich zur Petrograder Seite am anderen Flussufer brachte.

Mein Ziel war die Moschee von St. Petersburg. Wunderschön und durch die auffallend türkisfarbene Kuppel schon von Weitem sichtbar. Seit meiner Ankunft war sie immer mal wieder in mein Blickfeld geraten und schrie geradezu danach, näher betrachtet werden zu wollen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Auch von nahem war sie äußerst attraktiv. Leider war sie geschlossen, sodass mir ein Blick ins Innere verwehrt blieb.

Die Moschee wurde von 1910 bis 1913 errichtet und wurde von der muslimischen Gemeinde finanziert, die damals ca. 8000 Gläubige umfasste. Bei ihrer Eröffnung war sie die größte Moschee in Europa außerhalb des osmanischen Reiches. Insgesamt finden in dem Gotteshaus 5000 Menschen Platz.

Die Minarette erreichen eine Höhe von 49 Metern, die große türkisfarbene Kuppel ist 39 Meter hoch. Der Architekt Nikolai Wassiljew richtete sich bei der Gestaltung nach dem Gur-Emir-Mausoleum in Samarkand. Ah, deshalb kam mir die blaue Ornamentik so bekannt vor. Usbekistan ist schon lange ein Reiseziel von mir.

Nach der ausgiebigen Fotosession suchte ich die nahe gelegene Metro-Station Gorkovskaya auf, die äußerlich einem UFO gleicht und seit 1967 existiert. Die endlos langen Rolltreppen brachten mich tief unter die Erde, wo ich mit der Linie 2 bis zum technologischen Institut fuhr und dort nochmal kurz ausstieg, um mich zu orientieren.

An der Station Frunzenskaya erblickte ich wieder das Tageslicht und lief strammen Schrittes (ich befürchtete wieder Regen) zum Fluss und dann ein Stückchen am Obvodnyi Kanal entlang nach Westen. Mein Ziel war die Khram Voskreseniya Khristova, eine wunderschöne orthodoxe Kirche aus dem Jahr 1904, die ich bereits am Morgen im Vorbeifahren bestaunt hatte. Im Innenhof steht eine Skulptur des letzten russischen Kaiserpaars.

Leider war die Kirche geschlossen und so ging ich weiter zum daneben liegenden Warschauer Bahnhof, in dem sich seit 2005 ein Einkaufszentrum befindet. 1860 wurde dieser Kopfbahnhof vollendet. Damit war er nach dem Witebsker Bahnhof (davon seht ihr im nächsten Beitrag mehr) und dem Moskauer Bahnhof der dritte Bahnhof St. Petersburgs. Wie der Name schon vermuten lässt, verband die Warschauer Bahn, die sich durch reich ausgestattete Waggons vorzugsweise für 1. Klasse Passagiere auszeichnete, St. Petersburg mit Warschau. Seit 2001 ist der Bahnhof für den Eisenbahnverkehr geschlossen.

Ich schlenderte gemächlich den Izmaylovskiy Prospekt weiter und erreichte nach einem Kilometer die Dreifaltigkeits-Kathedrale. Noch so ein Prachtstück! Aber erstmal musste ich mich stärken. Der Magen hing in den Kniekehlen. In dem netten gelben Eckhaus gegenüber der Kirche war ein kleines Selbstbedienungs-Café namens Tarelka ausfindig zu machen. Wie praktisch! Also nichts wie rein mit mir und die erste Kalorienbombe war meine! So lecker! Wie ich später erfuhr, hatte Vanessa irgendwo in der Stadt zur selben Zeit die gleiche Idee und ein ähnlich leckeres Stück Kuchen ergattert.

Danach bestaunte ich das gute Stück lediglich von Außen. Ich zählte mindestens drei Busladungen Chinesen, die das Innere stürmten. Ohne mich!

Was für eine wunderschöne Kathedrale, findet ihr nicht? Sie wurde von 1828 bis 1835 erbaut und zählt zu den markantesten Gebäuden der Stadt. 2006 wurde sie leider Opfer eines Großbrandes, der die mittlere Hauptkuppel sowie eine der vier Nebenkuppeln zum Einsturz brachte. 2010 wurde sie nach vielen und langen Sanierungsarbeiten wiedereröffnet und strahlt nun schöner als je zuvor.

Nun hatte ich aber erstmal genug Gotteshäuser gesehen und ein freundlicher Yandex-Fahrer brachte mein erschöpftes Haupt zu einem kleinen Schläfchen zurück ins Hotel. Am Abend war ich mit Vanessa am Newskij Prospekt im Café Ukrop zum Essen verabredet. Ich zog gegen 17 Uhr los, um noch einen Abstecher zur Auferstehungskirche zu machen. Das Wetter hatte etwas Erbarmen mit mir und zeigte hin und wieder einen Funken blauen Himmel.

Vor der Christi-Auferstehungskirche auf dem Blute, so ihr richtiger Name, tummelten sich Scharen von Touristen. Aber auch Einheimische, die Erstere zu Bootsfahrten überreden wollten. Ich versuchte, die zahlreichen kleinen Details der Fassade zu erfassen, aber keine Chance – es sind einfach zu viele! Sie wirkt einerseits völlig überladen, aber andererseits auch wunderschön. Ich löste ein Ticket am Automaten und spazierte einfach durch das Drehkreuz. Auf Grund der fortgeschrittenen Uhrzeit war der Eingang vollkommen frei.

Was soll ich euch sagen? Das Innere ist unbeschreiblich. Diese Farben, dieser Prunk – eigentlich viel zu viel von allem und doch kann man sich nicht satt sehen. Und wer jetzt glaubt, die Kirche sei bis oben hin mit ikonischen Fresken ausgemalt, der irrt gewaltig. Es handelt sich bei den Ornamenten und Heiligenbildern in Wahrheit um Mosaike, die in 10 Jahren aufwendiger Handarbeit auf 7000 qm Wandfläche aufgeklebt wurden. Der absolute Wahnsinn, oder?

Hier eine Miniatur der erst 1907 fertiggestellten Kirche. Leider habe ich ja etwas Pech, weil der hübsche Mittelturm vollständig eingerüstet ist. Die Blutkirche wurde übrigens an genau dem Ort errichtet, wo 1881 ein Bombenattentat auf Zar Alexander II. verübt wurde. Er verblutete noch auf der Straße, womit wohl auch der Name der Kirche erklärt wäre.

Der wohl prächtigste Altar, den ich bisher in meinem Leben gesehen habe. Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll. Schaut euch die Tür an!

Der Fußboden besteht ebenfalls aus 45 verschiedenen Mosaiken, wurde aber in Genua vorgefertigt. Leider war es nicht möglich, ihn umfassend zu fotografieren. Es waren einfach noch zu viele Menschen im Innenraum.

Im Durchgang vor dem Ausgang haben sich schlauerweise einige Händler mit Ständen eine gute Position gesichert, um auf Touristenfang zu gehen. Mich hatten sie auch gleich im Netz und ich habe mir einige Ringe zeigen lassen. Allerdings war ich nicht entscheidungsfreudig genug, sodass ich die Kirche letztens Endes doch mit leeren Händen verließ.

Ich ging einmal um die Kirche herum, um sie von allen Seiten zu betrachten. Ein kurzer Abstecher in den angeblich schönsten Park der Stadt, den Michaelsgarten, ermöglichte mir einen anderen Blickwinkel. Dieser Bau macht wirklich sprachlos!

Auf der anderen Flussseite trat ich meinen Rückweg an und für einen kurzen Moment hatte ich sogar einen blauen Himmel, der die Kirche noch mehr strahlen ließ.

In meinem Fotografierwahn bemerkte ich nicht, dass hinter mir die Straße abgesperrt wurde und eine Ladung von bestimmt zehn alten russischen Oldtimern in Pfeilform auf der Straße arrangiert wurden. Ich war mitten in Dreharbeiten gestolpert, denn auch vor mir war die Straße in einiger Entfernung abgesperrt. Alles sah nach einer Verfolgungsszene aus. „Fast and Furious“ auf Russisch? Ich kam nicht mehr dazu, weiter zu grübeln, denn schon wurde ich energisch zur Absperrung geschoben, mit dem erbosten Hinweis, keine Fotos zu machen. Schon gut, schon gut – ich trollte mich. An der ganzen Mojka entlang war übrigens Party angesagt. Musiker spielten, Menschen tanzten und Ausflugsschiffe fuhren vorbei. Das pralle russische Leben!

Am detailreichen Singer-Haus am Newskij Prospekt vorbei, bahnte ich mir meinen Weg zum verabredeten Restaurant. In der dortigen Fußgängerzone war ein Büchermarkt aufgebaut und Lesungen wurden auf der Straße abgehalten. Bei den frischen Temperaturen heute eine kleine Herausforderung.

Das Café Ukrop hatte ich auf TripAdvisor entdeckt und es wirbt mit veganen und vegetarischen Speisen. Die Speisekarte war online einsehbar und so verabredeten wir uns per Messenger in diesem tollen Restaurant. Es war sehr lecker und die Einrichtung war zugleich gemütlich und originell. Wir unterhielten uns über unsere Erlebnisse vom Tag und spazierten anschließend langsam zurück zum Hotel.

Auf dem Weg zur Unterkunft liefen wir an der gewaltigen Kasaner Kathedrale, direkt am Newskij Prospekt gelegen, vorbei. Sie sieht nicht nur von der Straßenseite so riesig aus, sondern versteckt hinten noch einen beeindruckenden Sakralbau. Die Kathedrale wurde 1811 nach zehnjähriger Bauzeit fertiggestellt und nach dem Vorbild des römischen Petersdoms gestaltet. Nun ist es aber wirklich genug von Kirchen, Moscheen und Kathedralen.

 

2 Kommentare zu „St. Petersburg – von Kirchen, Moscheen und Kathedralen

  1. Kirchen, Kathedralen, die Mosaiken, die Moschee, das Ufo – ich weiß gar nicht, was ich am schönsten finden soll. Alles unfassbar klasse! Über das unstete Wetter ist fototechnisch ja auch nicht zu klagen. Etwas Drama im Himmel kann nie schaden! Auch euer Café macht einen guten Eindruck. Dramaturgisch hätte ich mir noch eine Komparsenrolle für dich den Dreharbeiten gewünscht, in die du reingeplatzt bist. Aber sollte wohl nicht sein 🤓.

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    1. Ich kam leider gar nicht dazu, mich anzubieten. Aber stimmt, da hätten sie ruhig selbst drauf kommen können. Diese Flegel. @Wetter: man kann’s ja eh nicht ändern, also wird das Beste daraus gemacht. Entscheiden könnte ich mich im Übrigen auch nicht. Die Motive waren durch und durch klasse!

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