Tag 2: Der Tag begann relativ früh, denn meine Kajüte wurde trotz nur kleiner Luke sehr früh sehr hell erleuchtet. Ich hätte die Option gehabt, sie zu schließen, doch dann hätte ich meine Hand nicht mehr vor Augen gesehen. So kam es also, dass ich gegen 8:30 Uhr ein äußerst leckeres Frühstücksbuffet an Deck mit Blick auf den Riddarfjärden (das Gewässer, in dem sich die Yacht befindet), Kungsholmen (der Stadtteil mit dem Rathaus) und die Insel Södermalm besuchte. Gut gestärkt zog ich los. Das Wetter war ein Träumchen! Stockholm’s Altstadt, auf der kleinen Insel Gamla Stan gelegen, zog mich sofort in ihren Bann: süße kleine kopfsteingepflasterte Gassen, kleine bunte Häuschen, urige Lokale und viele Handarbeitsläden. Natürlich auch zahlreiche Shops mit Pippi Langstrumpf Souvenirs. Hier im Herzen Stockholms steht auch das königliche Schloss, wo ehemals die mittelalterliche Burg Tre Kronor stand, die 1697 abbrannte.
Ich kam unweigerlich an einem der schönsten Plätze der Altstadt vorbei. Schön restauriert und sonnig erhellt präsentierte er sich mir voller Stolz, der Stortorget. Schon im frühen Mittelalter nutzten die Stockholmer diesen Platz als Großmarkt, auf dem sich auch der Pranger befand. Aber was heute so idyllisch anmutet, hat eine blutige Geschichte. Der dänische König Christian II. ließ 1520 hier 94 politische Gegner hinrichten. Im Haus der Börse befindet sich das Nobelmuseum, in dessen oberer Etage regelmäßig die schwedische Akademie tagt, die den Literaturnobelpreisträger benennt. Die meisten Häuser auf diesem Platz wurden im 17. Jhd. umgebaut und die gelbroten Steinfassaden ersetzten die originalen Holzhäuser.
Ich stromerte weiter…es zog mich zum Wasser! Vorbei an der Tyska Kyrkan (Deutschen Kirche), die natürlich genau diese Woche geschlossen war. Der starke deutsche Einfluss der Hanse im 13./14. Jahrhundert hinterließ eine deutsche Gemeinde und noch heute befinden sich über vielen Hauseingängen deutsche Inschriften. Mein Weg führte mich weiter, vorbei an spielenden Kindern einer in den Gassen versteckten Kita und vorbei an der schmalsten Gasse Stockholms, der Mårten Trotzige Gränd. Die nach dem deutschen Kaufmann Martin Traubtzig benannte Gasse misst gerade einmal 90 cm Breite.
Am Hafen war schon viel los. Touristen, wie auch Einheimische, aalten sich in der Sonne. Natürlich habe ich die von mir anvisierte Fähre nach Djurgården gerade noch von hinten gesehen, da mir das Ticketsystem zunächst etwas schleierhaft war. Die nette Dame am Schalter gab aber ihr Bestes, mir alles genau zu erklären. Letztendlich kaufte ich mir eine SL-Card für 24 h für 120 Kronen (ca. 12 Euro), zzgl. 20 Kronen Pfand, die für Metro, Bus und die öffentlichen Fähren gilt. Da die Fähren alle 30 Minuten fahren, musste ich auch nicht lange ausharren. Ach war das schön! So fühlte ich mich zuletzt auf einer Fähre in Istanbul. Ich liebe es einfach, auf dem Wasser zu sein! Es war herrlich warm und ringsherum kämpften zahlreiche tolle Motive darum, von mir fotografiert zu werden. Wir steuerten geradewegs nach Djurgården, passierten kurz vorher aber noch die kleine Insel Skeppsholmen, auf der noch einige Leute zustiegen. Schon von Gamla Stan aus sind die Karusseltürme von Gröna Lund, Schwedens ältestem Vergnügungspark, zu erkennen. Rechter Hand liegen am Ufer von Södermalm die großen Kreuzfahrtschiffe vor Anker. Linker Hand kann man das Nationalmuseum, die Prachtstraße Norrmalms mit dem Grand Hôtel und das englische Segelschiff Af Chapman erkennen. Der Dreimaster liegt hier seit 1949 vor Anker und wird heute als Jugendherberge genutzt. Die hübschen Häuser mit den roten Dächern stehen am sehr noblen Strandvägen auf Östermalm. Wer hier logiert, hat es geschafft. Blickt man zurück sieht man gleich neben Gamla Stan am Ufer von Södermalm den Katarinahissen, eine kostenlos zugängliche Aussichtsplattform, und natürlich die traumhafte Aussicht auf die pittoreske Altstadt von Gamla Stan. Kurz vor der Anlegestelle passiert man dann noch das Vasa Museum, erkennbar auf Grund der roten durch das Dach ragenden Masten. Hier befindet sich das monumentale Original-Kriegsschiff aus dem Jahre 1628, dass dummerweise auf Grund einer Fehlkonstruktion gleich bei der Jungfernfahrt noch im Hafen versank. Erst 1961 konnte es geborgen, konserviert und restauriert werden. Ein wahrlich beeindruckendes Holzgebilde, dass beim nächsten Stockholm-Besuch unbedingt von mir besichtigt werden will.
Djurgården war früher königliches Jagdrevier und ist heute die grüne Oase Stockholms. Hier wird Rad gefahren, gepicknickt und Spazieren gegangen. Verbunden ist die Insel mit Östermalm über eine kleine Brücke, hinter der sich direkt Juni Backen befinden, ein kleines Kinderland, in dem man Figuren aus Astrid Lindgrens Büchern begegnen kann. Angekommen am Landesteg ließ ich mich einfach treiben. Geplant war eigentlich ein Besuch des ABBA-Museums, aber bei dem wunderschönen Wetter konnte ich unmöglich in ein Museum gehen. Kurze Zeit später landete ich vorm Skansen, dem ältesten Freilichtmuseum der Welt. Hier wurden 150 typische Bauernhäuser und Herrenhöfe aus ganz Schweden zusammengetragen und aufgebaut, ebenso eine richtige kleine Stadt aus dem 19. Jahrhundert mit Holzhäusern und diversen Handwerksbetrieben. Highlight ist das Wildtiergehege mit nordischen Tieren, wie Elchen, Bären und Rentieren. Ich überlegte kurz, ob ich die 18 Euro bezahlen möchte bzw. ob es sich für mich lohnt. Ich holte mir an einem Kiosk was zu trinken, setzte mich auf die roten Picknickbänke und sah zu, wie die Schlangen vor den Kassen länger wurden. Der Park hatte gerade erst geöffnet. Da heute Abend jedoch das Konzert anstand, entschied ich mich dagegen und verschob auch den Skansen auf einen nächsten Besuch, dann hoffentlich mit meinen beiden Männern. Auf meinem Weg zurück landete ich auf dem Gelände des Freizeitparks und stellte auf Grund des regen Treibens fest, dass die Öffnung scheinbar kurz bevor stand. Regulär sollte wohl erst zwei Wochen später geöffnet werden.
Wir verließen Djurgården auf einer anderen Route, denn dieses Mal hielten wir nicht an Skeppsholmen. Die kleine Insel war seit dem 17. Jahrhundert eine wichtige Militärbasis und auf Grund ihrer strategisch günstigen Lage zusammen mit dem kleinen vorgelagerten Inselchen Kastellholmen Stockholms Flottenstützpunkt. Über 300 Jahre lang befanden sich hier Schmieden, Werften und Werkstätten. Heute finden sich dort zahlreiche Museen und kulturelle Einrichtungen. Es ist ein Ort der Entspannung, der zum Verweilen einlädt. Es sei denn, das Königspaar oder die Kronprinzessin haben Geburtstag, dann wird von den vier dort stehenden Schnellfeuerkanonen Salut geschossen.
Zurück auf Gamla Stan widmete ich mich wieder den süßen Altstadtgassen, die mich mit hübschen Cafés, lustigen Briefkästen und kleinen Brunnen bezirzten. Ich spazierte bis vor zum königlichen Schloss, dem Kungliga Slottet. Abgesehen vom Vorplatz konnte ich innen noch die Schlosskirche im Rokoko Stil sowie den gegenüberliegenden Reichssaal mit dem Silberthron begutachten. Alles andere hätte Eintritt gekostet, den ich heute nicht bezahlen wollte.
Vorbei an der Kathedrale stolperte ich mitten in die Wachablösung (offenbar war es also 12:15 Uhr), der ich dann natürlich noch bis zum Ende beiwohnte, und machte mich dann langsam auf den Weg zurück nach Riddarholmen, um eine kleine Pause einzulegen.
Um 18 Uhr war ich mit Franziska und Karoline beim Starbucks an der Central Station verabredet, also hatte ich vorher noch Zeit für ein bisschen Sightseeing. Ich sonnte mich etwas auf den Treppen neben meinem Boot und spazierte dann über die Brücke zum Fähranleger Klara Mälarstrand gegenüber dem Stadthuset (Rathaus). Von hier fährt alle 30 Minuten eine öffentliche Fähre hinüber nach Södermalm und von dort wieder schräg zurück zum Norr Mälarstrand nach Kungsholmen. Ich blickte mal wieder einer Fähre hinterher und musste wieder warten, was aber bei diesem Top-Wetterchen (ich kann es nicht oft genug betonen) sowas von kein Problem war. Die Fahrt war wieder herrlich und sehr kurzweilig. Der Blick auf Riddarholmen und dem dahinterliegende Gamla Stan war auch von dieser Seite aus umwerfend schön. Gegen 17:30 Uhr war ich zurück und spazierte am überraschend hübschen Bau des Kongresszentrums vorbei in Richtung Hauptbahnhof.
Die 1871 eröffnete Grand Central Station ist der größte Bahnhof Schwedens und durchaus beeindruckend mit seiner getäfelten Eingangshalle und den Wandbildern in der großen Haupthalle. Unter dem Bahnhof befindet sich der T-Centralen, wo die sieben Stockholmer Metro-Linien, die Tunnelbana, abfahren. Wie verabredet traf ich die Mädels bei Starbucks und wir stärkten uns erstmal mit einer Kleinigkeit von Burger King. Mit der Metro fuhren wir dann in 25 Minuten bis zur Station Solna, von wo aus wir uns zusammen mit hunderten Devotees den Weg zur Friends Arena bahnten. Das war ganz praktisch, denn so mussten wir nicht nach dem Weg forschen. Die Arena selbst war riesig und da das Konzert seit langem ausverkauft war, wurden scheinbar auch die über 60.000 Plätze vollständig besetzt. Nachdem sich Franziska mit Merchandising eingedeckt hatte und wir uns Getränke besorgt hatten, bezogen wir dann auch unsere Sitzplätze im ersten Rang. Das Konzert selbst kann ich logischerweise nicht beschreiben. Für mich persönlich war es fast perfekt: eine frische und top gelaunte Band, eine sehr gut ausgewählte Set-List und eine Bombenstimmung in der Halle. Von den vielen Depeche Mode Konzerten, auf denen ich war, gehört dieses definitiv zu den Besten.
Die Rückfahrt war ruhig und unspektakulär. Wir hatten Glück und erwischten Sitzplätze im zweiten Zug. Da meine SL-Card immer noch gültig war, fuhr ich diesmal mit der Metro die eine Station zurück nach Gamla Stan. Überraschenderweise verließ ich den U-Bahnhof und stand fast unmittelbar vor meiner Hotel-Yacht, wo ich dann völlig erschöpft, aber glücklich, in meine Koje fiel.